Erase & Rewind (2022)
ERASE & REWIND
Berlin. Die Unmöglichkeit einer Mitte
Gruppenausstellung mit Stephanie Kloss und Andrea Pichl
im Kunstraum Die Möglichkeit einer Insel
Der Fotograf Christian Werner hat die zurückliegenden zwei Pandemie-Jahre zum Anlass genommen, sein Archiv zu sichten und nun zum ersten Mal frühe Arbeiten aus Berlin zu präsentieren. Ausgehend vom Fund einer alten Handyaufnahme der „Zweifel“-Installation des Künstlers Lars Ø. Ramberg auf dem Palastdach zeigen vereinzelte Bilder die Grundpfeiler der bereits abgetragenen Palastruine, die ausgehobene Baugrube auf dem Schlossplatz und den fortgeschrittenen Rohbau des Humboldt Forums. Während diese fast beiläufigen Skizzen die Entwicklungslinie zwischen dem öffentlichen Verschwinden der DDR in Gestalt ihrer modernistischen Staatsarchitektur und die bundesrepublikanische Replik in Form der barocken Rekonstruktion eines verloren gegangenen Preußentums aufgreifen, sind sie gleichzeitig Chiffre und Ausgangspunkt für einen wilden Parcours zeitgleich entstandener Berlin-Bilder. Unsanierte Hauseingänge, Gerüstbauklammern auf Baustellen, ein DDR-Stromkasten in einer Ost-Berliner Über- gangswohnung, verlassene Lagerhallen und Gewerbebrachen, ausgebrannte Autos und flüchtige Momentaufnahmen des Nachtlebens vor Clubs und in U-Bahnhöfen erweitern den Blick auf die Verfasstheit der Stadt in den Nuller- und Zehnerjahren. Straßenszenen reihen sich neben Porträts von Rainald Goetz, Diedrich Diederichsen oder Klaus Lemke und vermischen sich mit trivialen Beobachtungen. Dem sich hier aufblätternden Mosaik einer zerrissenen, rohen und unwirtlichen Urbanität ist jede Geste des Weltstädtischen abhandengekommen, aber auch Symptome der langsam heraufziehenden Gegenwart wie die ästhetische Historiensimulation, Luxussanierung und städtische Verdichtung weitgehend fremd. Noch einmal artikuliert sich in der hier gezeigten Verweigerung, einen repräsentativen Metropolencharakter inszenieren zu wollen, ein Sound, der die Stadt um die Jahrtausendwende so unmissverständlich, aber ungleich strahlender charakterisiert hatte und zwischen Palastabriss und Schlossfertigstellung langsam ausklingen sollte – jener der Offenheit und Möglichkeiten, der Weite und Verfügbarkeit.
Glaubt man der von Chuck Klosterman vertretenen These, dass das Versprechen der Moderne, durch „große Erzählungen“ originäre und sinnstiftende Ideen für die Gegenwart auszuformulieren, in der Kunst und Popkultur der 90er-Jahre ihren letzten Höhepunkt erreicht hat, bevor sich das Zeitalter postmoderner Attrappen und Zitate vollends durchsetzte und damit eine klar umrissene Vorstellung von „Zukunft“ enden sollte, dann begann die „slow cancellation of the future“ (Mark Fisher) hier.
Sebastian Alexander Benn
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Berlin. Die Unmöglichkeit einer Mitte
Gruppenausstellung mit Stephanie Kloss und Andrea Pichl
im Kunstraum Die Möglichkeit einer Insel
Der Fotograf Christian Werner hat die zurückliegenden zwei Pandemie-Jahre zum Anlass genommen, sein Archiv zu sichten und nun zum ersten Mal frühe Arbeiten aus Berlin zu präsentieren. Ausgehend vom Fund einer alten Handyaufnahme der „Zweifel“-Installation des Künstlers Lars Ø. Ramberg auf dem Palastdach zeigen vereinzelte Bilder die Grundpfeiler der bereits abgetragenen Palastruine, die ausgehobene Baugrube auf dem Schlossplatz und den fortgeschrittenen Rohbau des Humboldt Forums. Während diese fast beiläufigen Skizzen die Entwicklungslinie zwischen dem öffentlichen Verschwinden der DDR in Gestalt ihrer modernistischen Staatsarchitektur und die bundesrepublikanische Replik in Form der barocken Rekonstruktion eines verloren gegangenen Preußentums aufgreifen, sind sie gleichzeitig Chiffre und Ausgangspunkt für einen wilden Parcours zeitgleich entstandener Berlin-Bilder. Unsanierte Hauseingänge, Gerüstbauklammern auf Baustellen, ein DDR-Stromkasten in einer Ost-Berliner Über- gangswohnung, verlassene Lagerhallen und Gewerbebrachen, ausgebrannte Autos und flüchtige Momentaufnahmen des Nachtlebens vor Clubs und in U-Bahnhöfen erweitern den Blick auf die Verfasstheit der Stadt in den Nuller- und Zehnerjahren. Straßenszenen reihen sich neben Porträts von Rainald Goetz, Diedrich Diederichsen oder Klaus Lemke und vermischen sich mit trivialen Beobachtungen. Dem sich hier aufblätternden Mosaik einer zerrissenen, rohen und unwirtlichen Urbanität ist jede Geste des Weltstädtischen abhandengekommen, aber auch Symptome der langsam heraufziehenden Gegenwart wie die ästhetische Historiensimulation, Luxussanierung und städtische Verdichtung weitgehend fremd. Noch einmal artikuliert sich in der hier gezeigten Verweigerung, einen repräsentativen Metropolencharakter inszenieren zu wollen, ein Sound, der die Stadt um die Jahrtausendwende so unmissverständlich, aber ungleich strahlender charakterisiert hatte und zwischen Palastabriss und Schlossfertigstellung langsam ausklingen sollte – jener der Offenheit und Möglichkeiten, der Weite und Verfügbarkeit.
Glaubt man der von Chuck Klosterman vertretenen These, dass das Versprechen der Moderne, durch „große Erzählungen“ originäre und sinnstiftende Ideen für die Gegenwart auszuformulieren, in der Kunst und Popkultur der 90er-Jahre ihren letzten Höhepunkt erreicht hat, bevor sich das Zeitalter postmoderner Attrappen und Zitate vollends durchsetzte und damit eine klar umrissene Vorstellung von „Zukunft“ enden sollte, dann begann die „slow cancellation of the future“ (Mark Fisher) hier.
Sebastian Alexander Benn